Eigentlich möchte ich davon erzählen, warum das Beste, was mir als Autorin seit langem passiert ist, meine Accountability-Gruppe ist. Aber erstaunlicherweise scheint sich kein deutscher Begriff dafür eingebürgert zu haben. Accountability kann man mit „Rechenschaftspflicht“ übersetzen. „Rechenschaft ablegen“ klingt jedoch entsetzlich bürokratisch und ist meilenweit von allem entfernt, was ich meiner Gruppe verdanke. Aber in Ermangelung eines besseren Ausdrucks bleibt es für die Länge dieses Blogbeitrags bei der englisch-deutschen Bezeichnung.
Wie alles begann
Letztes Jahr im Dezember fand ich in einer Facebookgruppe den Aufruf einer Autorin. Sie befand sich in den Anfängen eines Romanprojekts und suchte nach Autorinnen und Autoren, die sich in einem ähnlichen Stadium befinden und gemeinsam in einer Accountability-Gruppe arbeiten wollten. Ich fühlte mich sofort angesprochen und wusste, dass genau diese Gruppe bedeuten würde, dass mein Roman, an dem ich seit ein paar Monaten herumfrickelte tatsächlich geschrieben würde. Also tippte ich sofort in das Kommentarfeld, dass ich gerne teilnehmen würde.
Und dann? Dann stand ich da mit dem Smartphone in der Hand und mein Daumen schwebte über dem „Senden“-Button und schwebte und schwebte und schwebte – eben weil ich genau wusste, dass ich dann den Roman schreiben könnte, würde, müsste. Interessanterweise stellte sich später heraus, dass es den anderen genauso ging. Diese neue Ernsthaftigkeit bei der Arbeit war also schon vor dem eigentlichen Gruppenstart für alle spürbar.
Das Konzept unserer Accountability-Gruppe
Die anderen Gruppenteilnehmerinnen leben in Kanada, Australien und den USA. Alle zwei Wochen treffen wir uns zu einer Videokonferenz. Das geht ganz unproblematisch und kostenlos per Zoom. Reihum erzählt dann jede von uns, was sie in den vergangenen zwei Wochen an ihrem Projekt gearbeitet hat, ob sie ihr selbstgestecktes Ziel für diesen Zeitraum erreicht hat und was für Themen, Schwierigkeiten oder Gedanken dabei aufgetaucht sind. Wir finden gemeinsam Lösungen und profitieren von den Ideen der anderen. Wie bejubeln, was die anderen erreicht haben, egal, wie groß oder klein dieser Schritt war und richten einander auf, wenn etwas nicht geklappt hat. Am Ende verkündet jede, was sie in den nächsten vierzehn Tagen tun und erreichen möchte.
Da klar ist, dass die anderen nachfragen werden, strenge ich mich noch etwas mehr an. Unsere Treffen finden an meinen späten Montagabenden statt, sie lassen mich am Sonntag und Montag vorher noch mal deutlich mehr schreiben.
Treffen auf Augenhöhe
Für uns alle ist es eine Bereicherung mit Menschen sprechen zu können, die unsere speziellen Autorenprobleme verstehen. Denn wer ist schon im Alltag mit Leuten umgeben, die verständnisvoll damit umgehen, wenn man plötzlich den eigenen Roman hasst oder an der Frage verzweifelt, worüber man eigentlich die ganze Zeit geschrieben hat.
Inzwischen bin ich so weit, dass ich den anderen aus meiner Gruppe oft etwas über meinen Schreibprozess erzähle, wenn wir gar kein Treffen haben. Ich rede also nur in meinem Kopf mit ihnen, weil sie die perfekten Adressaten für mich sind. Das hilft mir, etliche Herausforderungen beim Schreiben klarer zu sehen. Und solange ich noch nicht laut mit ihnen rede, wenn sie gar nicht da sind, ist doch alles in Ordnung.
Der Unterschied zwischen einer Schreibgruppe und einer Accountability-Gruppe
Im Gegensatz zu einer Schreibgruppe werden bei den Accountability-Treffen keine Texte besprochen. Man konzentriert sich darauf über die Ziele zu sprechen. Wurden sie erreicht, welches ist das nächste Ziel? Warum wurde das Ziel nicht erreicht? Wodurch war man sogar produktiver als gedacht? Die Treffen sind auch kürzer und häufiger als Schreibgruppentreffen.
Produktiver schreiben mit vielen, kleinen Zielen
Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Ich kann nur empfehlen mit einer Accountability-Gruppe zu arbeiten. Das per se nicht greifbare Schreibprojekt wird dadurch plötzlich realer. Das Schreiben kann nicht mehr so einfach von „wichtigeren“ Dingen verdrängt werden, weil man weiß, dass jemand nachfragen wird, ob man geschrieben hat. Die regelmäßigen Treffen bedeuten automatisch, dass man sich kurzfristige Ziele setzt. Auf diese Weise wird das schwammige Projekt „den Roman schreiben“ in machbare, kleine Schritte unterteilt.
Wo man Teilnehmer für eine Gruppe finden kann
Ich finde es ideal, wenn diese nachfragenden Menschen ebenfalls Autoren sind. Dann kann sich noch ein Erfahrungsaustausch anschließen und man fühlt sich am Schreibtisch weniger allein. Grundsätzlich kann aber jeder Accountability-Partner sein. Man braucht nur zu verabreden, regelmäßig an einem bestimmten Termin zu berichten, was man getan hat und was man als Nächstes zu tun gedenkt.
Man kann beispielsweise in Facebookgruppen und Internetforen einen Aufruf veröffentlichen, natürlich können auch Leute aus der eigenen Schreibgruppe zum Accountabilitypartner werden. Ob man sich regelmäßig auf einen Kaffee trifft, um sich auszutauschen, ist nach meiner Erfahrung unerheblich. Bei uns funktioniert die Internetkonferenz, aber ein Austausch per E-Mail wäre auch vorstellbar.
Meine Check-In-Buddies und ich haben noch viel vor. Im Mai wollen wir unseren eigenen NaNoWriMo starten, zu unseren eigenen Bedingungen. Wie das abläuft, darüber werde ich euch auf dem Laufenden halten.
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